Im September letzten Jahres fragte mich eine Freundin, ob ich mitkäme zu einem dreistündigen Freistilschwimmkurs. Nach einigem Zögern entschied ich mich dafür. – Und der Kurs war richtig gut! Damit das Ganze nicht umsonst war, müsste ich dranbleiben. Also nahm ich mir vor, jede Woche einmal schwimmen zu gehen, um dann im Juni 2016 am Schloss-Triathlon Moritzburg teilzunehmen – auf der Jedermann-Distanz.
Nun habe ich mit Triathlon herzlich wenig Erfahrung. Vor langer Zeit hatte ich zwar drei Jahre in Folge an einem Jedermann-Triathlon teilgenommen, aber der war wirklich wiiinzig. Die Distanzen betrugen in etwa die Hälfte der Strecken, die ich nun in Moritzburg vor mir haben würde. - Na super, ich bin zehn Jahre älter, und die Distanzen haben sich verdoppelt! Aber es heißt ja, das Alter bringt gewisse Vorteile bei den Ausdauersportarten mit sich.
Nach dem Freistilkurs ging ich tatsächlich jede Woche einmal schwimmen. In der Schwimmhalle war es meistens so voll, dass man sich die 25m-Bahn zu fünft teilte. Mein Eindruck: Die, die wirklich zügig ihre Bahnen schwimmen wollten, nahmen Rücksicht aufeinander und ließen die offensichtlich schnelleren Schwimmer passieren. Nicht so die Rentner. (Liebe Rentner, ich kann Pauschalurteile auch nicht leiden. Was ich beschreibe, ist sehr subjektiv und tut vielen von Euch unrecht. Aber genau so habe ich es empfunden.) Da wurde paarweise nebeneinander geschwommen und geplaudert. An der Wendestelle wurde nicht einen Moment gewartet, um die Schnelleren vorbeizulassen. Nein, man beharrte auf seiner Position. Und der schnellere Schwimmer musste Vollgas geben, sich wie ein Aal durch Gesprächskreise älterer Mitbürger schlängeln und dabei auch noch Kollisionen mit dem Gegenverkehr vermeiden. Ich war geneigt zu sagen: „Leute, lasst mich vorbei, ich bin doch nicht zum Spaß hier!“
Irgendwann im Mai war dann die Hallenbadsaison für mich zu Ende, da die Schwimmhalle bis September dem Schwimmunterricht und den Schwimmvereinen vorbehalten bleibt. Um dennoch keine Trainingslücke aufkommen zu lassen, begab ich mich gleich in der ersten Freibadwoche ins Waldbad Langebrück. Nach 1.000 qualvoll kalten Metern beendete ich meinen ersten Freibadversuch des Jahres. Die Wassertemperatur betrug unfreundliche 14 Grad Celsius – gemessen, nicht gefühlt. (Eisschwimmer werden jetzt müde lächeln.) Selbstverständlich schwamm ich im Badeanzug und nicht in Neopren. Nach zwanzig Bahnen im Waldbad kannte ich jede Stelle an der Wasseroberfläche, die von den letzten abendlichen Sonnenstrahlen noch ein wenig erwärmt worden war. Und jede eiskalte Unterwasserströmung. Vor allem am Kopf und an den Füßen fror ich. Meine Kopfhaut zog sich zusammen, und ein Effekt, den meine kalifornischen Freunde halb scherzhaft als „brain freezing“ (Hirn-Frösteln) bezeichnen, machte sich bemerkbar. Die Hornhaut an den Fußsohlen reagierte mit Faltenwurf, und meine Füße waren bald so gefühlvoll wie ein Paar traditionelle holländische Holzschuhe. Sie kamen mir selbst nach einer heißen Dusche noch nicht wieder wie zu meinem Körper gehörend vor.
Am Tag danach war ich im Dresdner Laufsportladen. Bei der Gelegenheit erzählte ich der fachkundigen und sehr freundlichen Verkäuferin von meinem eisigen Schwimmerlebnis. Sie zeigte Verständnis und meinte: „Sie hatten doch sicher wenigstens eine Badekappe auf!?“ Auf die Idee war ich gar nicht gekommen. Meine völlige Ahnungslosigkeit versuchte ich zu überspielen: „Ähh, ja“, stammelte ich. - Ich bin eine schlechte Lügnerin.
Etwas mehr als zwei Wochen vor meinem großen (?) Wettkampftag kaufte ich mir einen Triathlonanzug. Er ist schwarz, an den Seiten weiß abgesetzt und hat rote Ziernähte. Preislich nicht gerade ein Schnäppchen. Aber ich dachte mir, wenn schon als eine der Letzten ins Ziel kommen, dann wenigstens gut aussehen. Den Anzug zog ich am Abend zuhause an und zeigte mich damit meiner fast 18jährigen Tochter. Ihr erster Kommentar: „Du siehst aus wie ein Pinguin!“ Nach einigem verbalen Hin und Her kam ihr schließlich ein zweiter Kommentar über die Lippen: „Oh Gott, wenn ich so alt bin wie Du, sehe ich auch so aus.“
Einen Tag nach meinem Einkaufserlebnis nahm ich gemeinsam mit meiner das ganze Übel mitverursachenden Freundin (Bitte nicht böse sein, Christiane!) an einem Freiwasserschwimmkurs teil. Da wir für ein vorerst einmaliges Ereignis nicht 200 EUR in einen Neoprenanzug investieren wollten, liehen wir von Taucher-Freunden Anzüge aus. Beim Schwimmen erwiesen sich diese Anzüge als ungeeignet: dickes Neopren, eben fürs Tauchen gedacht, und Taucher machen eher wenig mit den Armen. Ich aber musste über den See kraulen. Dabei hatte ich das Gefühl, ich machte Übungen im Kraftkreis. Der Widerstand des - viel zu dicken - Neoprens in den Armgelenken war schon erheblich. Es war, als zögen dicke Gummibänder die Arme in die andere Richtung als die von mir gewünschte.
Nach dem Kurs zog ich dann meinen neuen Triathlonanzug an und schwamm noch eine Runde im See. Die Arme konnten wieder frei rotieren. Ach, war das schön! Noch erfreulicher war der Kommentar meiner Freundin, als ich sie nach meinem äußeren Erscheinungsbild fragte: „Das sieht schon ansatzweise sportlich aus!“ Und das sollte durchaus ein Kompliment sein.
Wenn ich anderen Menschen von meinem Vorhaben Triathlon erzählte, und das tat ich oft, nicht, um zu prahlen, sondern um mir selbst Druck zu machen, erlebte ich manchmal eine Reaktion wie die folgende: „Ach so, 750 m Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen, na das geht ja noch.“ Meist stammten diese Kommentare aus den Mündern von Leuten, die noch nie an einen Volkssportlauf teilgenommen hatten, geschweige denn eine Ahnung haben, was es bedeutet, diese drei Disziplinen unter Wettkampfbedingungen aneinanderzureihen.
In seltenen Fällen reagierte mein Gegenüber, nachdem er oder sie die Distanzen vernommen hatte, aber auch mit der Frage: „Am Stüüück???“, wobei die Stimme zum Ende hin Deckenhöhe erreichte – verbunden mit einem Gesichtsausdruck, der von völligem Unverständnis bis zum blanken Entsetzen reichte. In diesen Momenten schwankte ich innerlich zwischen Stolz (auf meinen Mut mitzumachen), Angst (vor eben diesem vermeintlichen Mut) und Zweifel ob meines Geisteszustandes (Ist das jetzt der Alterswahnsinn?).
Knapp zwei Wochen vor dem Wettkampf kam ich erstmals auf die Idee, mir die Ergebnislisten der vergangenen Jahre anzuschauen. Wenn ich diese Eingebung doch schon eher gehabt hätte! Ich hätte mich wohl gar nicht erst angemeldet. Aber ich war von der Annahme ausgegangen, Jedermann-Triathlon sei auch etwas für J-e-d-e-r-m-a-n-n und J-e-d-e-f-r-a-u. Mich packte das kalte Entsetzen, als ich die Schwimmzeiten sah. Nicht mal die der Letzten schienen erreichbar für mich! Im Waldbad Langebrück schwamm ich daraufhin die Wettkampfdistanz allein gegen die Uhr – zunächst im Freistil und ein paar Tage später im Brustschwimmen. Beide Zeiten waren schlechter als die der schlechtesten in den Listen. Panik machte sich in mir breit. Meine letzte Hoffnung bestand darin, dass nur die Teilnehmer abgedruckt waren, die den Wettkampf tatsächlich beendet hatten und dabei im Zeitlimit geblieben waren. Die Hoffnung erwies sich als trügerisch.
Der Trainingsaufwand war das ganze Jahr über nicht unerheblich gewesen und steigerte sich in den letzten Wochen vor dem Wettkampf noch einmal deutlich. Und das, obwohl ich kein separates Rad-Training betrieben hatte. Das Radfahren habe ich schon lange in meinen Alltag eingebaut. Joggen gehe ich seit vielen Jahren ein- bis zweimal pro Woche. Aber das regelmäßige Schwimmen kam neu dazu. Und das hasse ich – eigentlich - wie die Pest! Diese Abneigung hat sich etwas relativiert, seitdem ich sehr ausdauernd (aber eben noch nicht schnell) kraulen kann. Von September bis Mitte Mai ging ich einmal pro Woche, danach zweimal pro Woche schwimmen. Dabei betrug jede Trainingseinheit um die 1.300 m, was im Hinblick auf eine Triathlon-Teilnahme wohl eher das untere Limit darstellen dürfte. Der Trainingsplan für die Jedermann-Distanz empfiehlt darüber hinaus ein Athletik-Training. Auch hier gelang es mir, Trainingszeit einzusparen, indem ich meine alldienstagabendliche Frauen-Gymnastikgruppe virtuell in Athletikgruppe umbenannte.
Trotz des intensiven Trainings habe ich nur wenig Gewicht verloren. Da ich selbst mich auf einer Skala zwischen Rubens-Modellen und Lagerfeldschen Catwalk-Models figürlich eher beim Spätbarock einordnen würde, freue ich mich aber auch über zwei, drei Kilo. Dieser Gewichtsverlust ist bei 1,76 m Körpergröße (in dieser Dimension habe ich annähernd Model-Maße!) für Außenstehende kaum sichtbar und führt noch nicht einmal zur nächstkleineren Konfektionsgröße. Allerdings habe ich den Eindruck, muskulär sei durchaus etwas „passiert“. Ein Eindruck, den meine schlaue Waage, für die „Wiegen“ nur eine von vielen Funktionen ist, auch zahlenmäßig bestätigt.
Einen Tag vor dem Wettkampf las ich (endlich mal) die Wettkampfinformationen für die Starter. Das hätte ich natürlich eher tun sollen! Ich las so manches, was mir rätselhaft erschien. Unter anderem folgendes: „Trage die Startnummer so, dass sie deutlich zu erkennen ist, beim Radfahren auf dem Rücken, beim Laufen vorn.“ Bei bisherigen Wettkämpfen hatte ich die Startnummer immer mit Sicherheitsnadeln vorne am Trikot befestigt. Wie, bitte schön, soll ich nun die Startnummer mit Sicherheitsnadeln auf dem Rücken befestigen? Zum Schwimmen kann ich sie ja noch nicht anlegen. (Papier!) Und wie bekomme ich die Startnummer beim Wechsel von der Rad- auf die Laufstrecke mit zitternden Händen vom Rücken auf Brust oder Bauch?
Der nächste Satz in den Wettkampfinformationen half. Aber nur wenig: „Verwendest Du kein Startnummernband, so befestige die Startnummer vorn.“ Aha, nur vorne befestigen, geht also auch. Aber was ist ein Startnummernband, und wo bekommt man das her? Eine Antwort auf diese Frage lieferte Dr. Google´s Bildersuche: Es handelt sich um ein Gummiband, an dem man vor dem Start mit Druckknöpfen, Sicherheitsnadeln oder kleinen Schnüren die Startnummer befestigt. Das Band wird mit einem Clickverschluss geöffnet und geschlossen. Somit kann man die Startnummer schnell anlegen und schnell vom Rücken auf den Bauch drehen. Dann fiel mein Blick noch auf Begriffe wie „Antidopingregeln“, „Windschattenfahren“ und „Zeitstrafen“. In diesem Moment hörte ich auf zu lesen. Ich dachte: „Mein Gott, ich will doch nur mal testen, was ich noch drauf habe.“ Aber der Schloss-Triathlon ist richtig hoch angebunden. Mit Kampfrichten der Deutschen Triathlon Union und allem Schnick-Schnack.
Am Tag des Wettkampfes erwachte ich um sieben völlig aufgedreht nach nur fünf Stunden Schlaf. (Ich war am Morgen erst gegen zwei ins Bett gekommen. Grund war ein Ball mit weit über 100 Gästen, den ich organisiert hatte. Nachdem die letzten Tänzer gegangen waren, half ich noch beim Aufräumen, verabschiedete den Caterer und den DJ, schloss den Saal ab usw. usf. Ich ging also als Letzte heim. Kein idealer Triathlon-Einstieg.) Mein Kreislauf lief schon beim Erwachen auf Hochtouren, ich stand förmlich im Bett. Ich bekam keinen Kaffee hinunter. Hätte ich einen getrunken, ich wäre wohl explodiert. Bemerkenswert ist das insofern, da ich ansonsten ein Kaffee-Junkie bin und morgens zwei bis drei Tassen benötige, um in Fahrt zu kommen.
Mit dem Fahrrad fuhr ich nach Moritzburg. Bereits vor zwölf war ich da, obwohl „Der Jedermann“ erst um drei starten würde. Vor lauter Aufregung hatte ich es zuhause nicht mehr ausgehalten. Ich holte meine Startunterlagen und bat jemanden um Hilfe, da ich mit meinem - am Abend vorher neu erworbenen - Startnummernband nicht klarkam. „Das Startnummernband ist Sch…e! Das können Sie wegschmeißen“, sagte eine der mir behilflichen Damen vom Wettkampfbüro. In diesem Augenblick drängte sich für mich völlig überraschend von hinten eine Männerhand in unsere Konversation und reichte mir ein Startnummernband des Schloss-Triathlons Moritzburg. Ein kleines Geschenk eines der Organisatoren, das man normalerweise kaufen muss. Da wollte mir jemand etwas Gutes tun.
Ich begab mich auf die Suche nach einem ruhigen, schattigen Plätzchen. Meine Nerven waren überreizt: Zu viele Leute, zu viel Sonne, zu laute Musik. Ich fühle mich schon im Normalzustand inmitten großer Menschenmengen nicht besonders wohl. Die Suche nach Ruhe war ein hoffnungsloses Unterfangen, die nach Schatten war etwas erfolgversprechender. Allerdings hielt es mich nicht lange an einer Stelle. Immer wieder schob ich mein Rad ziellos umher. Der Wettkampf über die Olympische Distanz ging gerade zu Ende. Die meisten Starter waren bereits im Ziel. Einer der Finisher fiel mir auf: Er flanierte v ö l l i g entspannt in seinem Triathlonanzug mit einem Becher alkoholfreien Hefeweizens in der Hand über die Schlossallee (Ja, die gibt es in Moritzburg tatsächlich!) und genoss den Sonnenschein. So ein Triathlonanzug sitzt hauteng, damit kann man keine Problemzonen kaschieren. Aber das Problem mit den Problemzonen hatte dieser Spaziergänger nun wirklich nicht. Ein echter Modellathlet! Da schaut frau gerne noch ein zweites Mal hin!
Kurz darauf traf ich einen alten Bekannten. Hartmut ist passionierter Läufer bis hin zu Ultra-Distanzen. Er nutzte den Schloss-Triathlon als Training für seinen nächsten Ultra-Lauf über 200 oder 300 km. (Die genaue Entfernung habe ich vergessen, denn sie war astronomisch für mich.) Als ich Hartmut begegnete, hatte er gerade den Triathlon auf der Olympischen Distanz bestritten und holte nun seine Startunterlagen für den Jedermann-Triathlon. Er hatte also bereits 1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren und 10 km Laufen in den Armen und Beinen und setzte nun aus Trainingsgründen noch einen drauf! Für mich ist Hartmut schon ein bisschen verrückt. Aber wahrscheinlich hält auch mich so mancher für nicht ganz normal, obwohl meine Ziele für diesen Triathlon nur hießen: Ankommen! Im Zeitlimit bleiben! - Alles andere wäre Bonus.
Die Sonne brannte noch immer, es war kaum auszuhalten. Zum Glück hatte ich bereits zuhause Sonnencreme aufgetragen. Da ich überhaupt keine Ahnung hatte, wie es beim Triathlon so zugeht, blieb ich zunächst an Hartmut dran. Ansonsten: Zuschauen, wie die anderen ihren Wechselplatz einrichten und fragen, fragen, fragen. Schließlich wurde es ernst. Wir „Jedermänner“ begaben uns in Richtung Schwimmstart. Kurz vor dem Start begann es zu nieseln, schnell wurde mir kalt. Am Ufer standen ein paar Dixis, die gut besucht wurden. „Gehe ich auch lieber noch einmal?“, fragte ich mich fünf Minuten vor drei. Aber ich hatte meine Badelatschen schon abgegeben. Also barfuß ins Dixi? Jawohl! - Das wäre für mich bei normalem Geisteszustand unvorstellbar.
Dann ging es los: Die 1. Welle von insgesamt mehr als 500 Schwimmern startete. Drei Minuten später die 2. Welle. Und weitere drei Minuten später die 3. Welle, da war ich dabei. Ich sortierte mich ganz hinten am Rand des Starterfeldes ein. Auf die Art wollte ich vermeiden, inmitten eines Piranha-Schwarms zu starten und womöglich gleich zu Beginn einen Fußtritt ins Gesicht zu bekommen. Allerdings war ich so auf den Startschuss fokussiert, dass ich vergaß, meine Stoppuhr am Handgelenk zu starten.
Ich begann mit hektischen Schwimmbewegungen. Nach einiger Zeit fand ich meinen Rhythmus und konnte dann sogar für einen Moment den Blick auf Schloss Moritzburg genießen. Wirklich überrascht hat mich der doch beträchtliche Wellengang auf dem Schlossteich. Das hatte ich nicht erwartet! Gefühlte hundert Meter vor dem Ende der Schwimmstrecke mutierten viele Schwimmer zu Läufern und wateten durchs Wasser. Ich hielt mich an die Empfehlung aus dem Freistilkurs und schwamm, solange es ging. Zwar hatte ich den Eindruck, alle starrten mich ob meines Einzelgängertums an, aber das störte mich nicht. Auch kümmerte mich nicht, dass ich bei meinen letzten Schwimmzügen die Knie der watenden Athleten in Augenhöhe neben mir hatte. Schwimmen soll weniger Kraft kosten und sogar schneller sein als durch das Wasser zu laufen. Schließlich nahm ich die Treppenstufen am Ausstieg. - Ich war so stolz, nicht als Letzte aus dem Wasser zu steigen!
Am Wechselplatz angekommen stellte ich fest, dass es während des Schwimmens heftig geregnet haben muss. Im Schlossteich hatte ich nur ein paar Regentropfen wahrgenommen. Nun waren meine Laufschuhe völlig durchnässt. Der Himmel war noch immer wolkenverhangen, die bereitgelegte Sonnenbrille brauchte ich nicht. Also schnell die nassen Schuhe an, die Startnummer umgeschnallt, den Helm aufgesetzt und das Rad gegriffen. Aber wo geht es lang? Ich blickte ein wenig irritiert umher. Schließlich fand ich den Einstieg in die Radstrecke.
Das Radfahren lief gut. Ich überholte mehrere Radfahrer und wurde selbst nur selten überholt. Zwischendurch nahm ich auch immer mal wieder die wunderbare Sicht auf die Kuppenlandschaft rund um Moritzburg wahr und erfreute mich an den sommerlich blühenden Wiesen. Es gab ein paar Anstiege, die zwar in den Oberschenkeln brannten, aber alles in allem doch gut auszuhalten waren. Aufgrund des nassen Asphalts war ich in den scharfen Kurven besonders vorsichtig und bremste schon vorher etwas ab: Jetzt bloß nicht über einen nassen Gullydeckel schlittern!
Irgendwann erreichte ich die Triathlonarena wieder. Beim Einlauf riefen mehrere Leute meinen Namen. Ich schaute, ob ich Freunde entdeckte. Aber ich sah nur fremde Gesichter. Es waren Zuschauer, die meinen Vornamen auf der Startnummer gelesen hatten und mich anfeuerten. „Das ist ja cool!“, dachte ich. Beim Wechsel von der Rad- auf die Laufstrecke hatte ich erneut Orientierungsschwierigkeiten. Zwar fand ich schnell meinen Wechselplatz, aber die Verpflegungsstation verpasste ich. Mist, jetzt musste ich noch mindestens eine weitere halbe Stunde ohne Wasser auskommen! (Ein Profi hätte natürlich eine Wasserflasche dabei gehabt.)
Auf das Laufen hatte ich mich richtig gefreut. Das mache ich wirklich gerne. Aber mit durchgeweichten Schuhen hält sich das Laufvergnügen in Grenzen. Alles reibt. Ich lief mir zwei Blasen. Aber 5 km konnte ich das aushalten. Ich lief locker, überholte nach und nach mehrere Starter und kann mich nicht erinnern, selbst überholt worden zu sein. (Allzu viele Läufer waren ja auch nicht mehr hinter mir.) Den Zieleinlauf erlebte ich wie im Nebel, hörte aber den Stadionsprecher sagen: „Da kommt ANKE.“ Nach einer kurzen Regenerierungsphase, in der alkoholfreies Hefeweizen, Apfelschorle, Wassermelone und Dresdner Eierschecke eine bedeutende Rolle spielten, zog ich über meinen schon fast getrockneten Triathlonanzug warme Sachen. Beim Auschecken aus der Wechselzone bemerkte dann der Posten, als er meine Startnummer an Rad und Helm mit der an der Wade verglich, dass ich noch meinen Transponder am Fußgelenk hatte. Gott sei Dank konnte ich den gleich da lassen, sonst wären 80 EUR fällig geworden. Den Transponder hatte ich total vergessen.
Zuhause spürte ich, wie aufgedreht ich war. Ich kam lange nicht zur Ruhe. Auch am Tag nach dem Wettkampf war ich noch ganz euphorisch. Bei der Fahrt zur Arbeit am frühen Morgen ließ ich, während ich auf meinem Fahrrad saß und mich unbeobachtet wähnte, laute Jubelschreie los. Noch immer pulsierten die Glückshormone durch meinen Körper!
Heute, vier Tage nach dem Triathlon sind die Aufkleber mit meiner Startnummer an Helm und Fahrrad noch gut erhalten. Und die handschriftlich auf meiner linken Wade aufgebrachte Startnummer verblasst nur langsam. Es ist nicht so, dass ich diese Erinnerungen hüte wie Reliquien, aber ich unternehme auch keine besonderen Anstrengungen, sie zu entfernen.
Schloss-Triathlon Moritzburg 2017? - Falls der Triathlonanzug noch passt ;-) auf jeden Fall!
Denn der Wettkampf war für mich keine Quälerei. Im Gegenteil: Es hat richtig Spaß gemacht. Ich habe auch die Angst vor dem Schwimmen unter Wettkampfbedingungen etwas verloren. Ich bekam keinen Muskelkater, also hatte ich wohl gut trainiert. Meine Ziele habe ich erreicht, sogar übertroffen. Erstmals in meinem Leben denke ich nun darüber nach, die Olympische Distanz in Angriff zu nehmen. Der Gedanke ist noch nicht sehr intensiv, taucht aber immer mal wieder in meinem Hirn auf. Eine Idee, die ich vor einem Jahr als völlig absurd verworfen hätte.
Aber: Ein bisschen Verrücktsein geht noch!