Ein verstauchtes Sprunggelenk vereitelte meine geplante Klettersteigtour, gestattete mir jedoch eine mehrtägige Radtour, die ich auf der Kohle-Dampf-Licht-Radroute unternahm. Diese beginnt in Lutherstadt Wittenberg und führt auf einer Länge von ungefähr 120 km südwärts über Leipzig nach Markkleeberg. Die Streckenführung verbindet Industriegeschichte, Natur und Kultur aufs Angenehmste. - Aber der Reihe nach.
Ich benutzte den Elberadweg als Zubringer. Er geleitete mich über Meißen, Riesa, Belgern, Torgau nach Wittenberg, das ich am Vormittag meines dritten Fahrtages erreichte.
Die Lutherstadt überraschte mich zunächst einmal - mit kostenlosen Fahrradgaragen. Entspannt, da ohne Gepäck, unternahm ich einem Stadtbummel, nicht ohne einen Blick auf das Kirchenportal zu werfen, an das Luther der Legende nach seine Thesen geschlagen haben soll. Ob er diese mit lauten Hammerschlägen annagelte, was dramatisch klingt, oder mit Honig anklebte, was wahrscheinlicher ist, wie mir eine Führerin durch die Schlosskirche erklärte, oder seinen Kirchenoberen anderweitig überbrachte, ist nicht belegt. Derzeit jedenfalls bereitet sich Wittenberg auf 500 Jahre Reformation vor, ein Jubiläum, das im kommenden Jahr begangen werden wird.
In Wittenberg kann man wählen, ob man - wieder auf dem Fahrrad - die Elbe überquert und in die Kohle-Dampf-Licht-Radroute einsteigt oder zunächst einen lohnenswerten Abstecher – beispielsweise nach Dessau - unternimmt.
Dessau bietet architekturinteressierten Radfahrern eine thematische Radroute an, die „Bauhaustour“. Die Radwegführung ist gut ausgeschildert, und den kostenlosen Flyer mit Karte und Kurzbeschreibung der einzelnen Objekte erhält man bei der Tourist-Information. Verweilt man in dem einen oder anderen Gebäude, so ist das ein komplettes Tagesprogramm. Dieses kann man im Ausflugslokal „Kornhaus“, einem bemerkenswerten Bauhaus-Objekt direkt an der Elbe, beschaulich ausklingen lassen.
Und dann gibt es da noch das neue Umweltbundesamt gleich am Hauptbahnhof, das mit moderner Architektur, Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlage beeindruckt. Den großen, lichtdurchfluteten Eingangsbereich sollte man einmal auf sich wirken lassen!
Zurück zur Kohle-Dampf-Licht-Radroute: Der Bergwitzsee ca. 14 km südlich von Wittenberg entstand aus einem bereits zu DDR-Zeiten gefluteten Tagebau. Heute ist er ein Badesee, und auch Wassersportler können ihrem Hobby nachgehen. Es gibt einen Campingplatz, so dass man hier auch länger verweilen kann.
Weiter führt die Radroute zum Gremminer See, ebenfalls ein gefluteter Braunkohlentagebau. An seinem Ufer befinden sich mehrere auf Stelzen stehende Aussichts-Container, von denen aus man einen Blick auf „Ferropolis - die Stadt aus Eisen“ werfen kann. Auf dieser Halbinsel sind mehrere Tagebaugroßgeräte zu sehen und zum Teil auch zu begehen - wenn nicht gerade, wie bei mir der Fall, eines der zahlreichen Open-Air-Spektakel stattfindet. Die riesigen Maschinen waren bis Anfang der 90er Jahre im Braunkohletagebau im Einsatz.
Bleibt man auf der Kohle-Dampf-Licht-Radroute, so erreicht man bald die Region Bitterfeld-Wolfen. Diese hat nichts mehr zu tun mit der tristen und umweltbelasteten Gegend in DDR-Zeiten. Entstanden sind hier Natur- und Erholungsgebiete. Am stärksten in Erinnerung geblieben sind mir zwei sehenswerte Objekte aus Stahl: Der Pegelturm an der Goitzsche (eigentlich: Großer Goitzschesee) und der Bitterfelder Bogen.
Der 26 m hohe Pegelturm ist ein beeindruckendes Bauwerk, das sich spindelförmig in die Höhe zu schrauben scheint. Der sichtbare Teil dieses Turmes schwimmt auf der Wasseroberfläche und zeigt somit immer den aktuellen Goitzsche-Pegel an. Der Turm bietet darüber hinaus eine herrliche Rundumsicht über Strand, Jachthafen und die ehemalige Tagebaulandschaft.
Der Bitterfelder Bogen sieht wie eine Brücke aus, überbrückt aber nichts und steht auf den ersten Blick ziemlich zweckfrei auf einem Hügel. Auf den zweiten Blick offenbart die elegante Bogenkonstruktion ihr Innenleben: Sanft geneigte, langgestreckte Rampen führen zu einer Aussichtsplattform, die fantastische Fernsichten ermöglicht.
Von Bitterfeld aus ist ein Abstecher ins Industrie- und Filmmuseum Wolfen unbedingt empfehlenswert. Eine Dauerausstellung beherbergt eine umfangreiche Sammlung von Fotoapparaten, eine weitere macht mit der Filmherstellung vertraut. Der ehemalige Produktionsbereich kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Wenn dort das Licht ausgeht, erahnt man als Besucher, was es bedeutete, sein Arbeitsleben unter diesen Dunkelkammerbedingungen zu verbringen. Darüber hinaus gibt es Sonderausstellungen - wie zum Beispiel ab 10. September 2016 die Fotoausstellung „Indian Wildlife Photography - Die Naturwelt Indiens“.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Museums befindet sich das als Verwaltungssitz der Filmfabrik in den 30er Jahren errichtete, architektonisch interessante Gebäude mit dem markanten, sandsteinverkleideten Rundbau, in welchem heute die Stadtverwaltung Bitterfeld-Wolfen untergebracht ist.
Die Kohle-Dampf-Licht-Radroute führt weiter über Delitzsch, dessen Altstadt von einer Wehrmauer umschlossen ist, durch eine Seenlandschaft mit vielen Bade- und Freizeitmöglichkeiten, dem Leipziger Neuseenland. In der Nähe von Gerbisdorf, einem Ortsteil von Schkeuditz, wird wieder offensichtlich, dass es sich um eine ehemalige Tagebaugegend handelt: Hier steht ein 17 m hohes Schaufelrad, das einst zu einem der größten Bagger seiner Art gehörte.
Ich beendete meine Fahrradtour in Leipzig und stieg dort mit meinem Rad in die Regionalbahn nach Dresden.
Fazit: Die Kohle-Dampf-Licht-Radroute ist einen Kurzurlaub allemal wert. Mit einigen Abstechern oder Unterwegsaufenthalten lässt sich daraus ein vollwertiger Urlaub gestalten.
Weitere Informationen
An- und Abreise:
- Leipzig und Dresden werden durch den RegionalExpress im Stundentakt verbunden.
- Der Einstieg in die Kohle-Dampf-Licht-Radroute ist unter anderem von folgenden Radwegen aus möglich: Elberadweg, Mulderadweg (früher: Muldentalradweg) von Freiberg und Zwickau nach Dessau, Elsterradweg.
Broschüren:
- Kohle|Dampf|Licht-Radroute. Tipps zu Sehenswürdigkeiten auf dem Weg von Lutherstadt Wittenberg nach Leipzig und Markkleeberg. Hrsgn. von TourismusRegion Anhalt-Dessau-Wittenberg e.V. www.anhalt-dessau-wittenberg.de
- Offizielles Elberadweg Handbuch 2016. Hrsgn. von der Projektkoordination Elberadweg. www.elberadweg.de
Karten:
- Elberadweg 1. Bad Schandau – Dessau. Radwanderkarte, Maßstab 1:50.000. Hrsgn. von Publicpress Publikationsges. mbH
- Radwanderkarte Kohle | Dampf | Licht-Radtour, Maßstab 1:50.000. Kartographischer Werbedienst Stefan Waldenburger 2013
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Ralf (Samstag, 13 August 2016 21:42)
Hallo Anke,
das hast Du gut geschrieben :-). Übrigens, in Delitzsch gibt es eine urige Kneipe in der Altstadt (No. 2) - berühmt für ihr umfangreiches Whiskey-Sortiment.
Viele Grüße,
Ralf