An meinen letzten Besuch in Eisenach vor vielen, wirklich sehr vielen Jahren konnte ich mich kaum noch erinnern, aber ich wusste, hier ganz in der Nähe muss es das Luther-Denkmal geben. Ein Blick in den Stadtplan brachte Klarheit. Dieser wies den Karlsplatz als Standort des Denkmals aus. Den Karlsplatz? Dort befindet sich doch auch meine Herberge. Da hätte mir das Denkmal eigentlich auffallen müssen.
Mehrere Male war ich bereits über den Platz gelaufen, immer an einem recht unscheinbaren Holzhäuschen vorbei. Einzig sonderbar daran: Es befand sich einige Meter über dem Karlsplatz. Metallstufen führten hinauf. Aber keine steilen Leitern wie an Baugerüsten, sondern eigentlich recht bequem aussehende Trittstufen aus Metallrosten. Dennoch wirkte das Ganze eher behelfsmäßig, glich eben doch einer Baustelleneinrichtung. „Aha“, dachte ich, „Luther wird saniert“.
Am nächsten Morgen, kurz bevor ich Eisenach wieder verlassen wollte, nahm ich mir noch etwas Zeit für Luther. Ich erklomm schließlich doch noch die tags zuvor verschmähten, metallenen Stufen, erhoffte mir, einen Blick auf den eingehausten Reformator zu werfen. Ich stand vor der Eingangstür zum Holzhäuschen, klinkte - und war drinnen. Gleich nach dem Öffnen der Tür wurde offenbar, dass das hier keine Baustelleneinrichtung ist!
Luther stand mitten in einem Schlafzimmer, im Muster-Schlafzimmer einer großen schwedischen Möbelhauskette, wie ich vermute. Er stand mitten im – gemachten - Bett, und man konnte sich zu ihm setzen. Da Schweden zwar gemeinhin als groß gelten, aber eben doch nicht so groß sind wie mehrere Meter hohe Bronzeplastiken, blieb um Luther herum nicht allzu viel schwedisches Bett für den Gast übrig. Die schwedische Blümchenbettwäsche sah recht einladend aus. Ich nahm die Einladung an, setzte mich zu Luther auf die Bettkante und plauderte ein wenig mit der aufsichtführenden Dame.
Der japanische Künstler Tatzu Nishi hatte hier eine temporäre, zwei Monate andauernde, Installation geschaffen. „Installation“ wird ja gerne als Bezeichnung für alles verwendet, von dem man nicht genau weiß, ob das Kunst ist („oder weg kann“). Ich weiß es auch nicht. Aber ich mag die Idee, und ich musste lachen. Das Bett-Projekt hat auch einen Namen: „Alsdann flugs und fröhlich geschlafen“. - Häh?
Meine Internetrecherche ergab, dass es sich hierbei um die letzte Zeile von Luthers Abendsegen handelt. Für nicht so Luther-feste Gemüter, zu denen auch ich mich zählen muss, trägt die Installation daher noch einen in Klammern stehenden Untertitel: „In Bed with Martin Luther“. - Damit kann ich was anfangen!
Natürlich ist auch dieses Projekt eine von vielen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Partyjahr 2017 (sprich: 500 Jahre Reformation). Die Reaktionen auf die Installation sind sehr unterschiedlich: Während ich noch auf dem Bett sitze, öffnet eine junge Frau die Tür, schaut rein, lacht lauthals und verschwindet wieder. Andererseits gibt es Gästebucheintragungen, die das Ganze schon fast in die Nähe der Gotteslästerung rücken.
Laut Bautafel, die neben dem Luther-Denkmal steht, ist das offizielle Ende des Bett-Projektes Samstag, der 17. Dezember, besucht habe ich das Ganze am Sonntag, dem 18. Dezember. Zwei Tage später, am 20. Dezember, komme ich erneut nach Eisenach, da ist Luthers Einhausung schon größtenteils wieder abgebaut. - Die Kunst kann weg.