Bereits zwei Kilometer vor dem Ortseingang von Nankendorf blockiert die freiwillige Feuerwehr die Zufahrt zum Ort. Diese Straße ist heute Abend gesperrt. Von hier aus geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Fahrrad weiter. Die Besucher des Lichterfestes müssen die Autos auf einem provisorisch eingerichteten Parkplatz abstellen.
Wir sind spät dran an diesem Silvesterabend. Es ist bereits nach 17 Uhr, und zwischen Fünf und halb sechs – so sagte man uns - soll die Lichterprozession beginnen. Nun haben wir noch zwei Kilometer Fußweg vor uns. Der Weg führt an der Wiesent entlang, einem Nebenfluss der Regnitz und Hauptfluss der Fränkischen Schweiz. Dieser Weg wird heute Abend durch offenes Licht erhellt: Kerzen in Haltern, die in einigen Metern Abstand voneinander in der Wiese stecken, leuchten wie Fackeln.
Als wir nach einigen Minuten des Laufens – immer noch weit vom Ortseingang entfernt – über eine kleine Brücke die Wiesent queren, bietet sich uns ein erstaunlicher Anblick: Während der Himmel noch seine letzten Blautöne zeigt, ist die Kirche von Nankendorf hell angestrahlt und die das Dorf umgebenden Berghänge mit den vereinzelt aufragenden Felsen erstrahlen in einem warmen Lichtermeer aus mehreren Tausend Kerzen.
Wir setzen unseren Weg fort und erreichen schließlich den Ort. Da ich nicht an mich halten kann und sofort ein Foto der Szenerie machen muss, bin ich plötzlich allein. Meine Begleiter habe ich inmitten den anderen Besucher der Prozession aus den Augen verloren. Es sind viele Besucher. Ich vermute, dass sie vorwiegend aus den umliegenden Ortschaften kommen. Es gibt kein Gedränge, keine Hektik, zu jedem Zeitpunkt und an jeder Stelle kann ich das Geschehen gut verfolgen. Alles läuft ruhig ab, und die Menschen nehmen Rücksicht aufeinander.
Der Gottesdienst endet, die Glocken der Dorfkirche läuten, sie läuten hartnäckig, und die Lichterprozession um das Dorf beginnt. Sie wird begleitet von Gebeten und Gesängen. Viele Dorfbewohner laufen in der Prozession mit, viele Interessierte verfolgen das Schauspiel vom Wegesrand, und viele Fotografen haben ihre Stative aufgebaut. Nun brennen auch die bengalischen Feuer. Sie leuchten rot und überstrahlen die Wachslichter. Und die Bewohner des Dorfes haben ihre Häuser mit Lichtern und Kerzen geschmückt. Hinzu kommen kleine Feuer, die den Verlauf beider Flussufer der Wiesent markieren. All diese Lichter und Feuer spiegeln sich im Flüsschen, das durch den kleinen Ort verläuft.
Nach ungefähr einer Stunde ist die Prozession beendet. Die bengalischen Feuer sind verloschen, die Berghänge aber erscheinen weiterhin wie mit Licht getupft. - Und wir, wir treten den Heimweg an.
Das Lichterfest in Nankendorf reiht sich ein in eine Folge fränkischer Lichterfeste. Diese finden alljährlich um den Jahreswechsel statt. Den Abschluss bildet das Lichterfest am Dreikönigstag in Pottenstein. Die Feste haben eine lange Tradition in der katholischen Kirche. Und sie haben nichts gemein mit den spektakulären Lichtfestivals, bei denen Künstler Sehenswürdigkeiten – vorwiegend in Großstädten - effektvoll illuminieren. Der (nahezu) völlige Verzicht auf Imbissbuden und Verkaufsstände und der erforderliche Fußmarsch zur Lichterprozession in Nankendorf verhindern, dass das Ganze zu einem touristischen Spektakel wird. Und kommerziell ist es schon gar nicht.